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Mein Leben im Takt der acht Jahreszeiten in Nordschweden

Lesedauer: 4 Minuten

Inhaltsverzeichnis

von Bernadette Olderdissen

In welchem Takt lebst Du? Dies ist die Frage, mit der alles begann. Nach einer kurzen Reise nach Nordschweden (Schwedisch Lappland) im Oktober 2020. In diesen Tagen lernte ich etwas mir vollkommen Neues: Die samische Urbevölkerung Nordeuropas teilt das Jahr nicht in vier Jahreszeiten, sondern in acht ein. Nach dem Geschehen in der Natur, vor allem aber nach den Bedürfnissen ihrer Rentiere. Ich spürte – das will ich auch mal erleben. Ein Leben im Takt der Natur über alle acht Jahreszeiten hinweg. Zurück daheim entwarf ich ein Buchprojekt zu den acht Jahreszeiten in der Hoffnung, einen Verlag dafür zu begeistern, und entschied, für ein Jahr in die Arktis zu ziehen. Trotz vieler Fragezeichen und Hürden, von der Finanzierung bis zur Sorge um meine Beziehung.

Weil ich spürte: Ich will das ausprobieren. Nicht in der Erwartung, dass alles puderschneesanft verlaufen würde und ohne rosarote Brille, die uns die Natur oft als Heilmittel für alles Unglück sehen lässt. Vielmehr mit offenen Sinnen und Neugier, um von den Samen und anderen Einheimischen und vor allem von der Natur Lapplands zu lernen. Über Pflanzen und Tiere, den Platz der Menschen in dieser spärlich besiedelten Weite, über mich selbst. Um fürs Leben und sogar den Stadtalltag zu lernen. Es war ein langer Weg bis zum Buchvertrag, aber nun ist es soweit: Am 31. August erscheint mein Buch „Zwischen ewigem Sommer und tiefster Nacht“ über mein Experiment mit dem Leben im Takt der acht Jahreszeiten bei Malik.

Ankunft in tiefsten Winter

Losgehen sollte es im Januar 2022. Vorab mietete ich über Internet für ein Jahr das bezahlbarste Haus, das ich auftreiben konnte: in dem Küstendorf Båtskärsnäs mit 200 Einwohnern, gut 40 Kilometer von der finnischen Grenze.

Mein Ausgangspunkt für meine Reise durch die acht Jahreszeite:

  • Winter (Jahreszeit der Pflege)
  • Spätwinter oder Frühlingswinter (Jahreszeit des Erwachens)
  • Frühling (Jahreszeit der Rückkehr)
  • Frühsommer (Jahreszeit des Wachstums)
  • Sommer (Jahreszeit des Nachdenkens)
  • Spätsommer (Jahreszeit der Ernte
  • Herbst (Jahreszeit der Antriebskraft)
  • Frühwinter (Jahreszeit der Wanderungen)

Im Januar 2022 kam ich an in einer Winter-Bilderbuchwelt, die jedoch gar nicht märchenhaft war. Es begann mit bei Kälte von -30 Grad kaputtgefrorenen Wasserleitungen im Haus, mit festgefrorenen Tränen und tauben Extremitäten.

Aber da waren auch über den Himmel tanzendes Nordlicht, Langlaufskitouren mit Einheimischen und frostige Picknicks zur „blauen Stunde“ nach Sonnenuntergang. Ich wanderte auf der zugefrorenen Ostsee und begriff erstmals, wie der „Sound of silence“ wirklich klingt. Und was richtig warme Kleidung ist, denn die Dorfbewohner nahmen sich meiner an und machten mich Lappland-tauglich. „Allt kommer att lösa sig“ lautete das Motto stets – es gibt für alles eine Lösung.

Es waren Elche, die mir darüber hinaus eine neue Perspektive auf den Umgang mit Ballast verpassten, Schneehasen, die mir Lektionen in Sachen Anpassungskunst gaben und Rentiere im nackten Überleben.

Die Zeit zwischen Kälte und Erntezeit

„Sommer ist bei uns die Zeit zwischen der Eisschmelze und der Jagdsaison im Herbst“, scherzen die Einheimischen Lapplands gerne. Und so erlebte ich hautnah mit, wie rasant die Tage länger und heller wurden, wie unwillig Schnee schmilzt und wie sich das Eis im Mai mit Musik verabschiedet. In dem Monat, den die samische Urbevölkerung das „samische Neujahr“ nennt, weil dann die Rentiere ihre Kälber gebären.

Auf einmal ging alles so schnell, dass ich mich gar überfordert fühlte vom Einzug des Frühlings und schon kurz darauf des Sommers. Ganz plötzlich begannen Pflanzen zu sprießen, die Mücken waren da, die Sonne schien rund um die Uhr, es war Zeit zum Angeln, Pilze und Beeren wie Preiselbeeren sammeln, und die Rentiere futterten sich satt an Flechten und anderen Lieblingsspeisen. Sämtliche Vögel kehrten auf einen Schlag aus dem Süden zurück und schräge Luftkonzerte waren ab dem Mai Alltagsmusik.

Bis die Natur das Ganze ab dem Spätsommer im August auf einmal zurückfuhr. Das Laub der Bäume wurde müde und rieselte schon ab dem September langsam runter, zu der Zeit, als vor allem die Männer zu jagen begannen.

Die Menschen machten sich bereit, die Boote wieder ein- und die Motorschlitten bzw. Schneemobile auszupacken. Schon im Oktober gab es Frost und ich stand im November nach den ersten Herbststürmen am Meer, als sich wieder Eis darauf bildete – mit Gesängen, die mich an Walgesang erinnerten.

Anleitung fürs Leben im Takt meiner eigenen Jahreszeiten

Meine acht Jahreszeiten in der Arktis sind eine Geschichte vom mal langsamen, mal blitzschnellen Wandel in der Natur Lapplands, der alles und jeden mitzieht, in dem ich immer mehr den Zyklus des Lebens erkannte und neue Lektionen fürs Leben erlernte.

In dem ich mich selbst täglich als Teil der Natur erlebte und feststellte, dass sich der Takt der Natur und jener der Stadt zeitweise mehr ähneln als erwartet. In dem ich aber vor allem neu erlernte, auf meine ganz eigenen Jahreszeiten achtzugeben, unabhängig davon, ob ich umgeben von Wildnis oder von Asphalt bin.

Meine erste Acht schloss sich mit dem Wort „Ende“ unter meinem Buch am Ende des Jahres 2022, aber eine neue Acht sollte sogleich beginnen – mit einem nicht minder „durchgeknallten“ (laut zahlreicher Aussagen anderer) neuen Projekt zwischen dem 200-Seelendorf Båtskärsnäs und der 2-Millionen-Metropole Hamburg, das ich für mich und meine private sowie berufliche Zukunft plane.

Acht Jahreszeiten zwischen ewigem Sommer und tiefster Nacht - Bernadette Olderdissen

https://www.piper.de/buecher/zwischen-ewigem-sommer-und-tiefster-nacht-isbn-978-3-89029-577-0

https://www.youtube.com/@bernadetteolderdissen/videos

https://www.facebook.com/bernadette.olderdissen

https://www.instagram.com/bernadetteolderdissen/?hl=de

Über mich:

Bernadette erfüllte sich 2017 den Traum, vom Reisen und Schreiben zu leben, machte sich als Reisejournalistin und Autorin selbstständig und akzeptierte, dass ihr Bankkonto oft hungrig, das Erlebnis-Konto dafür aber umso voller war.

Von ihrer Wahlheimat Hamburg aus bereiste sie fortan die Welt, um entgegen der ständigen Nachrichten von Katastrophen und Kriegen auch mal über die Schönheiten anderer Länder und gute Menschen zu berichten.

Ihr Augenmerk lag dabei stets auf den kleinen Geschichten am Wegesrand sowie auf Naturerlebnissen, weniger auf irgendwelchen Höhepunkten und Bucketlists. Sie hat neben Reportagen bei verschiedenen Medien wie spiegel online, der Stuttgarter Zeitung, Nordis und dem Schweizer Globetrotter Magazin zahlreiche Bücher veröffentlicht, u.a. Reiseführer und eine Globetrotter-Krimi-Serie. „Zwischen ewigem Sommer und tiefster Nacht“ ist ihr bisher bedeutendstes Werk.